2025-05-14T09:49:15+0000

Schutz vor Regressklagen: Über 1.000 Teilnehmer holen sich Tipps vom Anwalt

„Das Thema Regress ist da, und zwar mit aller Macht“, leitete Rechtsanwalt Henning Hamannn, Geschäftsführer der Kanzlei Voigt, sein Sonderwebinar vergangene Woche (7. Mai) ein. Bereits vor vier Jahren – [im damals ersten Automotive Online Forum](https://schaden.news/de/article/link/42146/automotive-online-forum-quotenvorrecht-nutzen-um-ertraege-zu-steigern) – warnten die Rechtsexperten vor einer drohenden Regressklagewelle. Und sie sollten Recht behalten. Bereits seit einigen Monaten nehmen die Rückforderungen gegenüber Werkstätten und Sachverständigen wegen vermeintlich überhöhter Rechnungen zu. Dass die aktuelle Entwicklung einen akuten Beratungsbedarf mit sich bringt, zeigte sich auch in den Anmelde- und Teilnehmerzahlen. Mit über 1.200 Anmeldungen und über 1.000 Teilnehmenden verzeichnete die Kanzlei Voigt einen neuen Rekord. Neben K&L-Betrieben und Sachverständigen verfolgten laut Veranstalter auch Anwälte anderer Kanzleien sowie Vertreter von Kfz-Versicherungen das Live-Webinar. ## „Regress ist inzwischen einzige Möglichkeit für Versicherer“ Zu Beginn des rund einstündigen Vortrages verwies Henning Hamann zunächst auf die prekäre Lage der Kfz-Versicherungsunternehmen. Die massiven [Kostensteigerungen innerhalb der letzten zehn Jahre bei den Ersatzteilen](https://schaden.news/de/article/link/44238/gdv-studie-ersatzteilpreise-steigen-weiter) – die bei insgesamt 74,5 Prozent lagen – sowie der stetige [Anstieg der Stundenverrechnungssätze](https://schaden.news/de/article/link/43819/dekra-reparatur-stundensatz-steigt-um-mehr-als-9-prozent) bei gleichzeitig sinkenden Versicherungsprämien sorgten in den letzten Jahren für einen Negativ-Rekord der Combined Ratio. Zwar haben die Kfz-Versicherer inzwischen ihre Prämien deutlich erhöht, Branchenexperte Henning Hamann prognostiziert dennoch: „Es kann sein, dass die Combined Ratio für 2025 aufgrund des deutlichen Prämienanstiegs wieder unter 100 fällt, aber die Kosten für Ersatzteile sowie die Stundensätze werden weiter steigen und dann reicht die Prämienerhöhung nicht mehr aus.“ Der Rechtsanwalt machte deutlich: „Der Regress ist inzwischen, rechtlich gesehen, die einzige Möglichkeit für Versicherer, denn der Bundesgerichtshof hat die Rechnungskürzungen verboten.“ ## Regresse – Was versteht man darunter? Insofern verwundere es nicht, dass die Assekuranzen verstärkt regressieren. In diesem Fall lassen sich die Kfz-Versicherer vom Geschädigten die werkvertraglichen Rückforderungsansprüche wegen vermeintlicher Überzahlung gegen die Werkstatt abtreten und können nun Regressforderungen an die Werkstatt stellen. „Im Regressprozess wird dann geprüft, ob die Werkstatt werkvertraglich etwas falsch gemacht hat. Also wurden beispielsweise überflüssige oder nicht erforderliche Arbeiten erbracht oder nicht erbrachte Arbeiten berechnet“, erklärt Henning Hamann. ## „Sachverständige nehmen künftig elementare Rolle ein“ Laut dem Rechts- und Branchenexperten seien alle großen Versicherer inzwischen auf die Regresswelle aufgesprungen. Dabei gibt es – vor allem für Werkstätten – eine einfache Lösung, um sich vor derartigen Forderungen zu schützen. Und die gab Henning
Hamann den Zuhörenden mit auf den Weg: „Lassen Sie die Finger von Kostenvoranschlägen. Ziehen Sie den Sachverständigen Ihres Vertrauens hinzu und lassen Sie in jedem Haftpflicht- aber auch gern im Kaskoschadenfall ein Gutachten erstellen!“ Denn: Solange gemäß Gutachten repariert wurde, kann der Werkstatt keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden. Um das zu untermauern, zeigte Henning Hamann mehrere aktuelle Gerichtsentscheidungen (siehe dazu Screenshots in der Bildergalerie), die allesamt die Regressforderungen der Versicherer abgewiesen haben. In einem Urteil des Amtsgericht Düsseldorf aus Mai 2024 heißt es beispielsweise: „Ein vertraglicher Anspruch scheidet bereits mangels Pflichtverletzung der Beklagten aus. Die Beklagte hat die Reparatur entsprechend des bestehenden Sachverständigengutachtens eines anerkannten Sachverständigen ausgeführt.“ In einem Urteil des Amtsgericht Eilenburg von Dezember 2024 wird es noch deutlicher: „Die Beklagte hat als Werkstatt grundsätzlich so zu reparieren, wie vom Auftraggeber beauftragt. Dieser wies unstreitig die Beklagte an, das Auto gemäß des von ihm am 3.3.2023 eingeholten Gutachtens zu reparieren.“ ## Wichtig für Reparaturauftrag: Passus „gemäß Gutachten“ Um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, appellierte Henning Hamann deshalb an die zuschauenden K&L-Betriebe: „Schreiben Sie im Reparaturauftrag ‚repariert gemäß Gutachten vom…‘ Durch diesen unmittelbaren Bezug sind sie maximal geschützt.“ Zudem gab der Rechtsanwalt eine weitere Empfehlung: „Am besten geben Sie im Reparaturauftrag auch eine konkrete Kostenaufschlüsselung.“ Er verwies dabei auf ein Urteil des AG Cham. Denn, so Henning Hamann: „Wir befinden uns im Werkvertragsrecht. Wenn eine Vergütung vereinbart wurde, dann gilt diese.“ ## Verjährungsfrist beachten Abschließend zu den Regressklagen verwies Henning Hamann noch auf die 2-jährige Verjährungsfrist der Rückforderungsansprüche. Diese gelten gemäß §634a BGB ab Abnahme Werk, also nach Abschluss des Auftrages. Heißt konkret: Danach hat der Versicherer keinen Anspruch mehr. ## Zahlungsanweisung statt Abtretungserklärung Unabhängig vom Regress wies der Voigt-Geschäftsführer auch darauf hin, dass die veralteten Abtretungserklärungen keine Wirksamkeit mehr haben. Denn eine Klage aus abgetretenem Recht ist für Werkstätten seit den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes aus Januar 2024 mit einem hohen Risiko verbunden, [wie Henning Hamann auch im Expertentalk „Schadentalk kompakt“ im letzten Jahr mehrfach betonte](https://schaden.news/de/article/link/43963/zusammenfassung-web-tv-kompakt-bgh-entscheidungen-april). Werkstätten sollten stattdessen das neue [Formular zur Zahlungsanweisung vom ZDK](https://www.kfz-sh.de/fileadmin/user_upload/PDF/Recht/RKUEB-2024-n.pdf) nutzen. ## Berufen sich Versicherer jetzt verstärkt auf die „Laienerkennbarkeit“? Ein weiteres Thema, das aus Sicht der Rechtsexperten der Kanzlei Voigt künftig verstärkt durch die Versicherer moniert werden könnte, ist die sogenannte Laienerkennbarkeit. Gemäß den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes aus dem letzten Jahr greift das Werkstattrisiko auch dann, wenn die Kosten oder Reparaturpositionen für den Laien nicht erkennbar erhöht waren. Immer häufiger berufen sich Kfz-Versicherer deshalb darauf und klagen mit der Begründung, die angefallenen Kosten seien auch für Laien erkennbar überhöht oder bestimmte Positionen nicht erforderlich – so beispielsweise Verbringungskosten oder durchgeführte Probefahrten. Henning Hamann schätzt die Erfolgschancen der Versicherer in puncto Laienerkennbarkeit zwar als gering ein, betonte aber: „Das Thema wird kommen. Denn Rechnungskürzungen sind aufgrund der BGH-Entscheidungen nicht mehr möglich, mit Ausnahme der Berufung auf die Laienerkennbarkeit.“
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