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2022-01-19T12:02:42+0000

„Mit der Zeit gehen und die Komfortzone auch mal verlassen“

Wer mit Ulrike Tries über ihren Beruf spricht, bemerkt schnell: Wir reden hier über eine Leidenschaft. Und tatsächlich wurde ihr die Entscheidung für den Lackierberuf bereits in die Wiege gelegt. „Ich bin quasi mit Lösemitteln aufgewachsen“, erklärt sie scherzhaft im schaden.news-Gespräch. Im elterlichen Betrieb im Westerwald hat sie 1985 eine Ausbildung zur Fahrzeuglackiererin begonnen und abgeschlossen. Als Gesellin arbeitete sie im Anschluss in größeren Betrieben in Mainz und Nastätten. „Damals war es noch sehr außergewöhnlich, dass eine Frau diesen Beruf ergreift. Und das blieb es auch noch für lange Zeit“, erinnert sie sich. So gab es damals in den Werkstätten noch keine Lösungen für separate Frauen-WCs und -Umkleideräume. Da war oft Improvisation und Erfindergeist gefragt. ## Gesellin, Meisterin, Technikerin Daran, was Ulrike Tries bereits damals an ihrem Beruf schätzte, hat sich auch bis heute nichts geändert: „Mich reizt diese Vielseitigkeit. Klar, eine Fahrzeugreparatur bleibt eine Fahrzeugreparatur. Aber als Handwerker muss man oft auch unterschiedliche Lösungen entwickeln, um zum Ergebnis zu kommen. Außerdem finde ich es toll, immer dazu zu lernen.“ So ist es auch nicht verwunderlich, dass die Fahrzeuglackiererin nicht lange Gesellin blieb. Ab 1991 besuchte sie die Meisterschule in Lahr und hatte nach einem Jahr den Titel. Dann ging es zunächst zurück in den Familienbetrieb im Westerwald – bis sich im Autohaus des Nachbarortes eine Stelle als Geschäftsführerin auftat. So führte Ulrike Tries mit 25 Jahren ein Unternehmen. Doch nach fünf Jahren wollte sie weiter. Es folgte die weitere einjährige Technikerausbildung in Lahr. Anschließend kam sie als Außendienstmitarbeiterin zum Ausrüster 3M für fast 5 Jahre, bis sie Mitte der 2000er Jahre nach Neuss in die Zentrale in den technischen Service wechselte - zunächst für Deutschland, dann für Europa. ## Eine Fahrzeugreparatur – unterschiedliche Umstände Seit rund zwei Jahren ist Ulrike Tries als 3M Application Development Engineer Global dafür verantwortlich, Prozessoptimierung wie das Werkstattoptimierungskonzept WOK weltweit zu entwickeln. Für sie ein spannendes Feld. „Denn zwar unterscheiden sich die Reparaturen an sich in den einzelnen Ländern sehr wenig. Nur die Umstände und die technologischen Standards beeinflussen die Prozesse unterschiedlich stark: In einigen Ländern erhalten Lackierer ihren Lohn nach ausgeführter Reparatur. In einigen Ländern sind die Materialkosten höher als die Lohnkosten. Oder die VOC-Norm ist eine andere“, beschreibt sie. Lösungen zu finden, mit denen auch die Reparaturprozesse bei diesen unterschiedlichen Bedingungen so optimal wie möglich sind, gehört zu ihren Aufgaben. ## „Inzwischen begegnen mir häufiger Chefinnen“ Was sich aber in den vergangenen zehn Jahren massiv geändert hat, ist die Rollenverteilung im Handwerk. Denn Frauen in diesen Berufen sind inzwischen keine Seltenheit mehr. Eine Tatsache, die Ulrike Tries begrüßt: Frauen bringen ihrer Meinung nach mehr Flair ins Handwerk. Die Richtung ist gut, erklärt die Fahrzeuglackiererin, die von sich selbst sagt, dass sie „niemals negativ denkt“. „Inzwischen sieht man in ziemlich vielen Betrieben auch eine Chefin, das hat sich klar gegenüber vor zehn, 15 Jahren geändert.“ In ihrer beruflichen Laufbahn, vor allem im Außendienst – hat sie jedoch unter
anderem eine wichtige Erfahrung gesammelt: „Als Frau in dem Beruf musst Du immer mindestens genauso gut sein wie alle männlichen Lackierer – möglichst noch besser!“ Bei Vorführungen haben die ersten Minuten darüber entschieden, dass sie von den Lackierern in den Betrieben akzeptiert wurde. Das sei ihr aber immer gelungen, erinnert sie sich. ## „Wir müssen uns engagieren, um Nachwuchskräfte zu erreichen“ Am Herzen liegt der Fahrzeuglackierermeisterin das Engagement bei der Suche nach neuen Fachkräften. Ein Grund, warum sie sich jahrelang selbst im Gesellen-Prüfungsausschuss der Handwerkskammern im Westerwald und in Stuttgart engagiert hat. Sie sieht aber auch jeden Betriebsinhaber selbst in der Pflicht bei der Suche nach Lackierernachwuchs: „Wenn wir uns selbst nicht engagieren, erreichen wir auch keine jungen Fachkräfte“ betont sie. Für den Lackierberuf und im Handwerk allgemein gelten für Ulrike Tries drei Regeln. Erstens: „Sich immer informieren und mitdenken! Und zweitens: Nie denken, man ist fertig. Man ist nicht fertig. Man lernt nie aus!“ Stattdessen solle man immer offen für Neues sein. Und die dritte Regel: „Wichtig ist es, immer mit der Zeit zu gehen und seine Komfortzone auch einmal zu verlassen. Nur so kann man etwas erreichen.“
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