2025-10-01T10:10:53+0000

BGH äußert sich zu fiktiver Abrechnung und Feststellungsinteresse – das sollten Betriebe wissen

In einem aktuellen Urteil (Az. VI ZR 25/24) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die Rechte von Unfallgeschädigten erneut gestärkt. Für Karosserie- und Lackierbetriebe ist das gleich doppelt interessant, wie Dr. Hammer weiter ausführt: „Unter bestimmten Voraussetzungen können Kunden, die zunächst fiktiv abgerechnet haben, eine Reparatur von Unfallschäden auch noch viel später auf Kosten des Versicherers des Unfallgegners durchführen lassen. Wie das geht und warum ein Feststellungsantrag mit anschließendem Feststellungsauspruch die Rechte des Geschädigten stärkt, hat der BGH ebenfalls erklärt.“ ## Fiktive Abrechnung ist keine Einbahnstraße Nach einem Unfall wählen etliche Geschädigte die fiktive Abrechnung gemäß § 249 Abs. 2 BGB. Das heißt, sie verzichten auf die Instandsetzung und lassen sich die Reparaturkosten auf Gutachtenbasis netto auszahlen. Die Werkstatt geht dann leer aus. Zwingend ist das jedoch nicht. Denn selbst wenn ein Geschädigter zunächst die fiktive Abrechnung gewählt hat, kann er später immer noch umschwenken. Grundsätzlich gilt: „Der Wechsel von der fiktiven zur konkreten Abrechnung ist innerhalb von drei Jahren möglich. Denn so lange dauert die Verjährungsfrist wegen unfallbedingter Schäden“, so der Rechtsanwalt. Und genau hier liegt der Praxisnutzen: Auf diese Weise können Werkstätten auch noch Jahre nach einem Unfall ins Spiel kommen. Bereits ausgezahlte Beträge werden dann angerechnet. ## Feststellungsinteresse schafft Sicherheit für Geschädigte Darüber hinaus hat der BGH in Bezug auf das sogenannte Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) für Klarheit gesorgt. Der Rechtsexperte erklärt, was es damit auf sich hat: „Wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass in Zukunft weitere unfallbedingte Schäden offenbar werden, kann ein Geschädigter ein Interesse daran haben, feststellen zu lassen, dass der Versicherer des Unfallgegners auch für diese Schäden ersatzpflichtig ist.“ Konkret bedeutet das, der Versicherer wird gerichtlich verpflichtet, auch für später festgestellte Schäden aus demselben Unfall aufzukommen. Laut BGH ist es dabei unerheblich, ob der Geschädigte bereits fiktiv abgerechnet hat oder nicht. „Es reicht aus, wenn der Geschädigte schlüssig darlegt, dass später auftretende Schäden durchaus möglich sind. Ob und inwieweit das Alter oder der Kilometerstand des Fahrzeugs eine Rolle spielen, hängt dabei vom Einzelfall ab“, erklärt Dr. Wolf-Henning Hammer. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um ein 13-jähriges Fahrzeug mit einer Laufleistung
von über 250.000 Kilometern. Anderes gilt laut BGH nur dann, wenn „aus Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund dafür bestünde, mit einer Reparatur zu rechnen“. ## 30 Jahre statt 3 Jahre Verjährungsfrist Der Vorteil: Normalerweise verjähren deliktische Ansprüche, zu denen eben auch die Ansprüche aus Unfallschäden gehören, nach drei Jahren. Nach einem Feststellungsausspruch beträgt die Verjährungsfrist aber 30 Jahre (§ 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB). Doch in welchen Fällen kann ein Feststellungsinteresse bekundet werden und wann macht es tatsächlich Sinn? Der Rechtsanwalt klärt auf: „Kann die Möglichkeit weiterer Schäden nicht ausgeschlossen werden und ist sich der Geschädigte deshalb nicht sicher, ob er den Schaden fiktiv und abschließend abrechnen soll, ist er gut beraten, wenn er sich im Prozess nicht nur den bereits bekannten Anspruch, sondern auch den Ersatz möglicher künftiger Ansprüche sichert.“ Grundvoraussetzung dafür ist jedoch, dass der Geschädigte des Fahrzeug noch hat. Das ist auch logisch. Denn wer sein Fahrzeug - z.B. während des Prozesses - veräußert, kann es künftig auch nicht mehr reparieren lassen. Und wo die Möglichkeit des Eintritts von Zukunftsschäden entfallen ist, kann eben auch kein Feststellungsinteresse mehr bestehen. ## Was Werkstätten daraus mitnehmen sollten Doch inwiefern ist diese Entscheidung für Reparaturfachbetriebe relevant? „Werkstätten sind häufig die erste Anlaufstelle nach einem Unfall. Auch wenn sie selbst keine Rechtsberatung geben dürfen: Wer die Grundzüge kennt, kann Kunden im Gespräch Orientierung geben und sie bei Bedarf an einen Anwalt verweisen. So positionieren sich die Betriebe als kompetente Partner nach einem Unfall. Zudem sollten sie immer im Hinterkopf behalten, dass eben auch bereits fiktiv abgerechnete Schäden im Nachgang immer noch in ihre Werkstatt kommen könnten“, betont Dr. Wolf-Henning Hammer abschließend.
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