2023-03-22T13:42:20+0000

Web-TV: „Energieeffizienz und Nachhaltigkeit muss in den Betrieben zur Chefsache werden“

Die Kostensituation belastet einen Großteil der Betriebe nach wie vor stark oder sehr stark [– das ist ein Ergebnis aus der aktuellen schaden.news-Konjunkturumfrage](https://schaden.news/de/article/link/43358/konjunkturumfrage-ergebnisse-2023-februar-maerz) und es bestätigt die Einschätzung vieler Branchenexperten. Effizienz bleibt deshalb das Gebot der Stunde – vor allem mit Blick auf den Energieverbrauch. Beim Schadentalk im Web-TV vergangene Woche stand deshalb der effiziente und nachhaltige Lackierprozess im Fokus. Denn nach wie vor ist die Lackierkabine der Energiefresser Nummer Eins in den Reparaturwerkstätten. Passend dazu fand der Branchentalk dieses Mal unmittelbar vor den Lackierkabinen des Lackier- und Karosseriezentrums der Autohaus-Gruppe Peter im thüringischen Heilbad Heiligenstadt statt. Dort diskutierte Moderator Christian Simmert mit Jeanette Ast-Leiner, Country Sales Managerin Vehicle Refinishes, und Armin Dürr, Technical Manager DACH, vom Lackhersteller AkzoNobel sowie Fahrzeuglackierermeister Andreas Wolff (Autohaus-Gruppe Peter) und Fördermittel- und Energieberater Thomas Koch (Geschäftsführer Cenvis). ## „Viele Betriebe kennen ihre Kostensituation nicht“ Mit Blick auf die aktuelle wirtschaftlichen Lage zeichnet sich kein einheitliches Bild ab – das bestätigten nicht nur die Ergebnisse der schaden.news-Konjunkturumfrage, sondern auch Jeanette Ast-Leiner: „Viele Betriebe haben sich von der Krisenlage erholt. Dennoch ist der Markt zwiegespalten, vor allem aufgrund der weiterhin angespannten Ersatzteillage und des fehlenden Personals.“ Im Zusammenhang mit den dramatischen Kostensteigerungen im letzten Jahr ergänzte Armin Dürr: „Es hat sich gezeigt, dass viele Betriebe ihre Kostensituation gar nicht wirklich kennen.“ Vor allem die Betriebe, die bereits vor einigen Jahren in energieeffiziente Technik und optimierte Prozesse investiert hätten, seien besser durch die letzten zwölf Monate gekommen. ## „Investitionen werden durch höhere Energiepreise wirtschaftlicher“ Fakt ist, dass mit der Notwendigkeit Ressourcen und somit Kosten einzusparen, auch das Thema Nachhaltigkeit eine größere Rolle für die Reparaturbetriebe spielt. So betonte Energie- und Fördermittelexperte Thomas Koch: „Investitionen werden durch die höheren Energiepreise wirtschaftlicher. Das bedeutet, dass ein Stück weit auch ein Zwang entsteht, etwas zu tun.“ Ihm zufolge steht die Energieeffizienz bei Investitionen inzwischen deutlich stärker im Fokus als noch vor einem Jahr. Das werde von der Politik zusätzlich durch gezielte Förderprogramme, die zum Beispiel an die CO2-Einsparung geknüpft sind, unterstützt. Der Cenvis-Geschäftsführer ist sich sicher, dass die Nachhaltigkeit künftig zu einem wichtigen Kriterium für die Fördermittelgabe werden wird. ## „Nachhaltigkeit ist eine Notwendigkeit und ein Wettbewerbskriterium“ Bei AkzoNobel steht der rohstoff- und ressourcenschonende Umgang bereits seit vielen Jahren im Fokus, wie Deutschland-Chefin Jeanette Ast-Leiner im Talk betonte. Mit „Rethink“ hat der Lackhersteller nicht nur eine Kampagne für all seine Aktivitäten in diesem Bereich entwickelt, sondern in diesem Zusammenhang auch eine Strategie, um Karosserie- und Lackierbetriebe bei der Umsetzung von nachhaltigen Prozessen gezielt
zu unterstützen. Es stelle sich inzwischen nicht mehr die Frage „Wer kann oder möchte nachhaltig arbeiten?“, macht Jeanette Ast-Leiner deutlich. „Nachhaltigkeit ist eine Notwendigkeit und künftig wichtiges Kriterium für die Wettbewerbsfähigkeit.“ Angesichts der Komplexität des Themas seien die Werkstätten jedoch häufig überfordert. Deshalb will der Lackhersteller seinen Partnerbetrieben hier mit geeigneten Tools und Produkten helfend unter die Arme greifen. „Uns ist bewusst, dass wir hier über unseren eigenen Geschäftsbereich hinaus gehen und die gesamte Wertschöpfungskette betrachten müssen“, erklärt sie in diesem Zusammenhang. ## „Nur ganzheitliche Betrachtung führt zu optimalem Ergebnis“ Was es bedeutet, die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten, erläuterte Chef-Techniker Armin Dürr. „Ganz wichtig ist, dass die Kosten, die Prozesse und die Produkte aufeinander abgestimmt sind. Denn nur eine ganzheitliche Betrachtung führt am Ende zu einem optimalen Ergebnis.“ Deshalb hat der Lackhersteller Tools entwickelt, mit denen sich zum Beispiel die Energiekosten aufschlüsseln und konkret berechnen lassen. In puncto Prozesse hat AkzoNobel mit dem sogenannten [Process Centered Environment, kurz PCE, zudem ein Konzept für einen optimalen Reparaturablauf von Fahrzeugannahme bis Schlüsselübergabe entwickelt](https://schaden.news/de/article/link/43065/akzonobel-pce-videobeitrag-eisemann). Bei dem modular aufgebauten Konzept steht neben effizienten Abläufen auch die aktive Einbindung der Mitarbeiter im Fokus – aus Sicht des Experten ein wichtiger Aspekt vor dem Hintergrund des anhaltenden Fachkräftemangels. Mit der Applikationstechnologie Paint PerformAir soll zudem die Aufenthaltszeit in der Lackierkabine drastisch gesenkt werden. Wie die Technologie funktioniert, erklärte der Chef-Techniker in einem im Vorfeld der Sendung aufgezeichneten Videoeinspieler: „Mit dem PPA wird die Druckluft beim Lackieren erwärmt und befeuchtet. Dadurch verbessern sich die Verarbeitungseigenschaften, das Material hat einen besseren Verlauf, die Deckkraft erhöht sich und es lüftet schneller ab, zudem spart man signifikant Lackmaterial ein.“ In Summe führe all das zu kürzeren Kabinenzeiten, einer höheren Produktivität und somit reduzierten Energiekosten. Fahrzeuglackierermeister Andreas Wolff konnte das bestätigen. Das Team in Thüringen arbeitet seit drei Jahren mit dem Paint PerformAir. Neben mehr Durchläufen und einer spürbaren Materialeinsparung habe sich auch die Oberflächenqualität verbessert, wie der Lackierer erklärt: „Wolkenbildung oder ähnliches im Basislackauftrag ist bei uns kein Thema mehr, wir haben deutlich weniger zu tun im Finish-Bereich.“ Ein wichtiger Aspekt für das größte Lackier- und Karosseriezentrum in Mitteldeutschland mit rund 130 Durchläufen im Monat. ## Lackiertechnologie ist fördermittelfähig Insgesamt wurden laut Armin Dürr seit der Markteinführung 2019 rund 180 Geräte im Markt installiert. Diese Zahl soll und könnte weiter wachsen, auch weil die Geräte fördermittelfähig sind, wie Thomas Koch erklärt. Der Energieexperte hat bereits einige Betriebe bei der Förderung des Paint PerformAirs unterstützt: „Grundsätzlich sind Förderquoten bis zu 40 Prozent möglich, das ist aber landesspezifisch unterschiedlich“, erklärt der Experte. Er und das Cenvis-Team unterstützen K&L-Betriebe im Rahmen einer
Fördermittelberatung sowohl bei der Analyse der individuell besten Förderung als auch bei der Beantragung. ## „Viele Betriebe nehmen Fördermöglichkeiten nicht in Anspruch, weil sie es nicht wissen“ Tatsächlich nutzen viele Betriebe derartige Förder- und Beratungsangebote jedoch nicht. „Viele Betriebe kennen die Fördermittellandschaft nicht und holen sich keinen Rat ein.“ Den Werkstätten gehe dadurch bares Geld verloren und das, obwohl es laut Thomas Koch „eine Fülle von Fördermöglichkeiten, sowohl für die Anlagentechnik als auch für Gebäude“ gibt. Beispielsweise können sich kleine und mittlere Unternehmen einen Druckluftkompressor pauschal mit 40 Prozent fördern lassen. „Im Großen und Ganzen scheitert es daran, dass viele Betriebe das nicht wissen und nicht in Anspruch nehmen!“ Er appelliert während des Branchentalks deshalb noch einmal eingehend an alle Betriebsinhaberinnen und -inhaber: „Egal welche Investition getätigt wird, bitte informieren Sie sich vorher über die aktuelle Fördersituation, um hier nichts liegen zu lassen.“ ## Mehr Effizienz durch gezielten Einsatz von Produkten Neben spezieller Lackiertechnologie oder regenerativer Energieerzeugung gebe es natürlich viele weitere Möglichkeiten, um energieeffizient zu arbeiten, weiß Armin Dürr. Gerade die UV-Trocknung setze hier noch viel Potenzial frei. Zudem optimiert AkzoNobel mit seiner neuen Füller-Generation – [die kürzlich im Rahmen eines Pressestammtischs präsentiert wurde](https://schaden.news/de/article/link/43357/akzonobel-pressestammtisch-elixhausen-neue-fueller-generation) – gezielt die Lackiervorbereitung. „Die Vorbereitungsplätze funktionieren ähnlich wie eine Spritzkabine, nur auf kleinerem Niveau. Aber wenn die schneller ausgeschaltet werden können, spart man hier auch Energie ein. Durch unsere neuen Füller mit Nass-in-Nass-Applikation lässt sich die Bearbeitungszeit von 48 auf 20 Minuten reduzieren“, erklärt der Technik-Chef. ## Wichtigste Stellschraube: Mitarbeiter mitnehmen Einig waren sich alle Beteiligten, dass den Fachkräften innerhalb der Prozess- und Energieoptimierung eine wichtige Rolle zukommt. Denn, so Thomas Koch: „Ohne Mitarbeiter nützt der effizienteste und nachhaltigste Prozess nichts.“ Der Umgang mit dem Personal stelle zugleich aber auch die größte Herausforderung dar. „Ein Unternehmer muss es schaffen, seine Belegschaft mitzunehmen. Darin liegt in der Zukunft die größte Stellschraube. Das kostet Zeit und manchmal auch Nerven. Aber ich glaube, dass sich das dauerhaft auszahlt, weil der Mitarbeiter sich anders eingebunden und wertgeschätzt fühlt. Das ist wiederum wichtig für die Mitarbeiterbindung und -gewinnung.“ Die Mitarbeiter auch selbst in die Verantwortung zu nehmen, wie es beispielsweise innerhalb des von AkzoNobel entwickelten PCE-Konzeptes erfolgt, ist aus Sicht von Armin Dürr eine gute Strategie. Nicht nur als Zeichen der Wertschätzung, sondern auch, weil das Werkstattteam in der Regel die Prozesse bestens kennt. ## „Veränderungen bieten Chancen“ Deshalb riet der Chef-Techniker in der Abschlussrunde noch einmal dazu, Mitarbeiter effektiv und wertschätzend einzusetzen. Zudem betonte er: „Man muss die Energiefresser und Kosten kennen. Und dann muss man entsprechend seines Budgets schauen, wo man optimieren kann. Da lässt sich viel erreichen, auch mit kleineren Investitionen.“ Dass Fördermittel auf dem Weg zur Nachhaltigkeit ein wichtiges und unterstützendes Element sind, verdeutlichte Thomas Koch noch einmal. Der Cenvis-Geschäftsführer appellierte: „Die Nachhaltigkeit wird in allen Bereichen zum Tragen kommen, das heißt, hier muss was getan werden. Die Fördermittellandschaft rund um Nachhaltigkeit und CO2-Einsparungen ist üppig gestaltet. Aus meiner Sicht müssen die Betriebe anfangen, dieses Thema zur Chefsache zu machen.“ Und auch Deutschland-Chefin Jeanette Ast-Leiner machte den Betrieben zum Abschluss der Web-TV-Ausgabe noch einmal Mut: „Man kann sich dem Wandel und den Veränderungen zum Thema Nachhaltigkeit nicht mehr länger verschließen. Betriebe müssen aktiv werden. Veränderungen bieten Chancen und darauf sollte man sich konzentrieren.“ Mit Blick aus der Praxis betonte Andreas Wolff abschließend: „Bei aller Effizienz sollte am Ende immer die Qualität im Vordergrund stehen. Die darf nicht einbüßen, denn dafür stehen wir als Fahrzeuglackierer.“
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